Interview mit Berthold Breid, CEO, RENAC
Der Mangel an Elektrikern, Klimatechnikerinnen und Informatikern könnte die Energiewende in Deutschland ausbremsen, denn für den Ausbau der Solar und Windenergie fehlen aktuell rund 216.000 Fachkräfte. Dies hat eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut für Deutsche Wirtschaft ergeben.
Welche Berufsgruppen sind besonders stark betroffen? Welche Chancen gibt es mit Blick auf Aus- und Weiterbildung? Und was ist eigentlich mit der Finanzierung der Ausbildung? Das verrät Berthold Breid, CEO der Renewables Academy AG (RENAC) im Interview.
Die Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland ist von einem enormen Fachkräftemangel betroffen. Können Sie uns einen Überblick über diese Situation geben?
Der Fachkräftemangel ist ein großes Thema, egal in welchen Bereich der erneuerbaren Energien, ob Windenergie, Biogas oder auch die Diskussion um Wärmepumpen. Es fehlen massiv Fachkräfte, die die ganzen Anlagen planen, installieren, betreiben und auch reparieren können, wenn es notwendig ist. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Energieagentur im Herbst letzten Jahres wurde die Zahl von 80.000 Installateuren genannt, die allein für Wärmepumpen fehlen. Im Bereich der Photovoltaik wird der Fachkräftemangel, also auf der Ebene der Elektriker, auf ca. 60 bis 100.000 Personen geschätzt und bei den Projektentwicklern, die die Flächen sichern, die die Verträge entwickeln, wird der Bedarf auf ca. 10.000 Personen in Deutschland geschätzt.
Welche Faktoren haben besonders dazu beigetragen? Wir haben auch in anderen Branchen einen Fachkräftemangel. Wie attraktiv ist die Erneuerbare-Energien-Branche als Arbeitsfeld?
Es ist sehr attraktiv, im Bereich der erneuerbaren Energien zu arbeiten. Allein schon deshalb, weil es für viele Menschen mittlerweile wichtig ist, auch eine sinnstiftende Tätigkeit zu haben. Das Problem mit dem Fachkräftemangel ist eher, dass hier mehrere große Faktoren zusammenkommen. Das eine ist, dass viel zu wenig junge Leute nachkommen. Hier haben wir ein massives Problem, nicht nur im Bereich der erneuerbaren Energien, sondern auch in der Pflege, bei Lehrern und vielem mehr. Wir werden uns mit dem Thema Zuwanderung beschäftigen oder auch Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben müssen. In Deutschland gibt es bisher leider keine bundesweite Regelung, die dafür sorgt, dass in den Lehrplänen der Elektriker die Photovoltaik standardmäßig ausreichend vorkommt. In einigen Ländern taucht es zwar in den Rahmenlehrplänen auf, aber es wird nicht genauer definiert, was die Leute eigentlich lernen sollen. Problematisch ist auch, dass z.B. die Berufsschullehrer, die dann dieses Know-how an die Elektrikerlehrlinge weitergeben sollen, wiederum keine Möglichkeit haben, dies zu lernen, wenn das Land nicht wirklich proaktiv entscheidet, dieses Angebot in die Berufsschullehrerakademie zu integrieren.
Wir brauchen schnell Installateure, aber wir wollen auch, dass sie gut ausgebildet sind. Was ist wichtiger, dass wir schnell viele durch zusätzliche Ausbildung bekommen oder dass sie gut ausgebildet sind?
Wir brauchen eigentlich beides und ich glaube, beides ist auch gleichzeitig lösbar. Die Qualität muss stimmen, sie muss sehr gut sein, sonst wenden sich natürlich auch die Kunden ab. Man muss sich schon überlegen, welche Arbeitsschritte notwendig sind, um eine PV-Anlage zu installieren, wie Kabel verlegen oder den Wechselrichter anschließen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Vorarbeiten, zum Beispiel das Aufstellen von Gerüsten, das Vorbereiten von Kabelkanälen, das Anbringen von Sicherungen oder die gesamte Logistik. Diese Arbeiten können durchaus auch von Personen durchgeführt werden, die nicht als Elektriker qualifiziert sind. Elektriker sollten sich auf die Tätigkeiten konzentrieren, für die sie wirklich ausgebildet sind. Einen ausgebildeten Elektriker Kanäle fräsen zu lassen, ist nicht wirklich sinnvoll und auch nicht wirtschaftlich, gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Leute, die schon hier sind, oder auch vor allem junge Männer, kurz zu qualifizieren, um sie dann zu unterstützen.
Sollen wir demnach ausbilden oder schnell Fachkräfte von außen holen?
Eigentlich beides und am besten parallel. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Die Länder müssen ihre Berufsschullehrer in Richtung erneuerbare Energien qualifizieren. Die Berufsschullehrer müssen das dann machen und parallel dazu müssen die Länder natürlich auch dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energien in die Lehrpläne aufgenommen werden. Es gibt ja auch eine ganze Reihe von Berufsschulen, die schon Photovoltaik im Lehrplan haben, aber es könnten noch viel mehr sein. Das ist der Punkt. Da ist noch viel Potenzial. Gleichzeitig brauchen wir jetzt schon Leute. Wir müssen in der Ausbildung weiterkommen, wir müssen in der Weiterbildung weiterkommen und wir müssen auch Fachkräfte aus dem Ausland holen und dann entsprechend, Qualifizierungen anbieten.
Sollen bestehende Berufsbilder ergänzt werden oder brauchen wir tatsächlich neue Berufe?
Wir brauchen keine neuen Berufe. Wir brauchen Zusatzqualifikationen und zwar schon in der Ausbildung.
Änderung der Ausbildung oder zusätzlicher Aufwand in der Ausbildung: Ist das kostenneutral machbar? Oder wird es Geld kosten? Und wenn es Geld kostet, woher soll es kommen?
Natürlich kostet es Geld, zum Beispiel Berufsschullehrer weiter zu qualifizieren und auch Curricula oder Rahmenlehrpläne zu ergänzen. Aber um wie viel Geld geht es eigentlich, was investiert man hier in die Aus- und Weiterbildung und was kann man am Ende damit erreichen? In Bildung zu investieren ist notwendig und auch sinnvoll und vor allem sehr ökonomisch. Wenn man ausgebildete Leute dazu bringen kann, PV-Anlagen oder andere Erneuerbare-Energien-Anlagen zu installieren, und der Betrieb mehr anbieten kann, dann hilft das natürlich auch, weil Einkommen generiert wird, Steuern gezahlt werden, mehr für die Umwelt getan wird. Im Vergleich zu dem, was man in so eine Ausbildung investiert, von dem, was man dann letztendlich über die nächsten zehn Jahre einen Nutzen hat.