Das Start-up EnExpert bietet nicht nur Hotels ein Gesamtpaket für Energiemanagement
Das Energiemanagement-System des italienischen Start-ups EnExpert hilft Hotels und Industriebetrieben, ihre Energiekosten zu senken. Die Besonderheit: schnell zu installierende drahtlose Sensoren, die Daten in hoher Auflösung liefern.
Viele Start-ups entstehen, wenn Menschen gemeinsam eine gute Idee haben und eine Anwendung dafür finden. Bei EnExpert war es umgekehrt. Der Elektroingenieur Alexander Sellemond erhielt immer wieder Anfragen von Hotels aus seiner Heimat Südtirol, die in der Energiekrise nach Wegen suchten, um ihre Kosten zu senken. Die Betriebe kannten ihre Kostenstruktur im Wareneinkauf und beim Personal sehr genau, aber beim Energieverbrauch gab es kaum Detailinformationen. Sellemond fand einige Energiefresser, stieß mit seinen Analysen aber ebenfalls bald an technische Grenzen – was hinter dem Stromzähler wirklich passiert, ließ sich nicht messen.
So kam Sellemond auf die Idee gemeinsam mit Julian Sommavilla ein eigenes Energiemanagement-System zu entwickeln, dass die realen Verbräuche über Sensoren erfassen sollte. Der Volkswirtschaftler Sommavilla hatte zuvor Daten für den Online-Handel analysiert und kannte sich mit den entsprechenden Verfahren aus. Lange suchten die beiden nach passenden Sensoren für ihr Konzept auf dem Markt. „Sie sollten drahtlos sein und nicht invasiv. Die Installation sollte so unkompliziert sein, dass man dafür keine besondere Ausbildung braucht, sondern dass es die Facility Manager praktisch selbst machen können“, erklärt Sommavilla die Herausforderung. Doch das Gründerduo von EnExpert fand auf dem Markt keinen Sensor, der den Ansprüchen genügte. „Anstatt Daten zu analysieren, mussten wir uns also erstmal um die Sensorentwicklung kümmern. Das hieß Muster bestellen, Platinen aussuchen, Konzepte entwerfen – und all das mitten in der Chipkrise“, erinnert sich Sommavilla.
Doch am Ende waren sie mit dem Ergebnis zufrieden. „Die Sensoren sind nun das Herzstück unserer Technologie“, sagt er. Die kleinen Kästchen lassen sich von außen an die Leitungen anklemmen. Je nach Typ messen sie die elektrische Leistung, die Temperatur oder auch den Durchfluss in Gas- oder Wasserleitungen per Ultraschall, und zwar im Zwei-Sekunden Takt. Zum Vergleich: Klassische Smart Meter senden Werte im 15-Minuten-Takt. Kurze Leistungsspitzen, wie das Anspringen einer Waschmaschine oder Kühlanlage, sind dabei nicht klar erkennbar. Mit den EnExpert-Sensoren stehen alle Daten in hoher Auflösung bereit, die nötig sind, um die tatsächlichen Energieflüsse zu ermitteln. Mit zehn Sensoren für jeweils wenige hundert Euro komme man bei einem mittelgroßen Unternehmen schon recht weit, so Sommavilla. Vorhandene Daten, zum Beispiel aus Solarwechselrichtern, bindet das Energiemanagement-System zusätzlich ein.
Über ein Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) gelangen die Daten von den verschiedenen Sensoren an die Zentraleinheit, die sie über eine SIM-Karte in die Cloud lädt. Dort erfolgt die eigentliche Auswertung. Das Ergebnis ist eine übersichtliche Darstellung aller Energiedaten auf einem gemeinsamen Dashboard.
Die Detailinformationen aus den Messungen sind auch für Industriebetriebe interessant. „Bei den Hotels ist der Anteil der Energie an den Gesamtkosten von etwa drei bis fünf Prozent auf acht bis zehn Prozent gestiegen. In vielen Industriebranchen geht es hingegen um zwanzig, manchmal 35 Prozent. Entsprechend größer ist dann das Einsparpotenzial“, sagt Sommavilla. Doch selbst in Betrieben mit hohem Energieverbrauch fehle es bisher oft an einheitlichen Energiemanagement-Systemen. Nur selten gebe es Messwerte zu den einzelnen Produktionsbereichen. Und selbst wo diese vorhanden seien, fehle es oft an der zentralen Darstellung, die den Überblick verschaffe.
Mittlerweile hat EnExpert knapp zwanzig Projekte in Hotels und Industriebetrieben fertig installiert. Statt selbst in die Betriebe zu gehen, arbeitet das junge Unternehmen nun mit externen Montageteams zusammen. „Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist deutlich gestiegen“, sagt Sommavilla. Zum Kernteam gehören nun auch eine Marketingfachfrau und ein Designer für die User Experience. „Die intuitive Darstellung auf dem Dashboard ist für uns eine Kernkompetenz, in die wir viel Zeit investiert haben“, so Sommavilla. Zusätzlich arbeiten drei Programmierer an der Weiterentwicklung der Software.
Für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden bietet EnExpert noch einen besonderen Zusatznutzen: Das von der EU geforderte Energieaudit, das alle drei Jahre fällig ist, lässt sich mit dem Energiemanagement-System weitgehend automatisiert erstellen.
Welche Einsparungen das Energiemanagement wirklich bringt, ist schwer abzugrenzen. „Wenn wir eine besonders ineffiziente Maschine identifizieren, die dann getauscht wird – kann man das dem Energiemanagement zuordnen oder zählt das als Modernisierung?“ fragt Sommavilla. Bei Hotels, die sich vorher nicht mit der energetischen Optimierung befasst hätten, seien 20 Prozent Einsparung zum Start schnell möglich. Über die Jahre lassen sich die Prozesse dann noch weiter optimieren, indem man zum Beispiel eigene Stromproduktion und den Verbrauch aneinander anpasst.
Seine Zielgruppe sieht EnExpert vor allem bei kleinen und mittelständische Unternehmen und auch Hotels. „Ab einem Energieverbrauch von etwa 50.000 kWh jährlich wird es interessant“, sagt Sommavilla. Immer öfter geht der Weg in die Unternehmen dabei über Energieversorger und Stadtwerke, die ihren Gewerbekunden mittlerweile mehr anbieten müssen als reine Stromlieferungen.
Im Fokus steht für EnExpert dabei das Gesamtpaket der Leistungen. „Wir finden die passenden Plätze für die Sensoren, richten das Dashboard ein, prüfen die Konsistenz der Daten, gehen gemeinsam mit den Kunden die monatlichen Reports durch und erarbeiten Maßnahmen, um Energie und Kosten zu sparen“, fasst Sommavilla zusammen.