Die Flexibilität von Batteriespeichern ist ein wichtiger Baustein für eine zuverlässige Stromversorgung und stabile Netze. Das Start-up Entrix optimiert die Flexibilitätsvermarktung mit Hilfe intelligenter Algorithmen. Sie berechnen die jeweils ideale Kombination verschiedener Erlösströme und berücksichtigen dabei auch die Abnutzungskosten der Batterie. Gründer Steffen Schülzchen erklärt im Interview, wie das Geschäftsmodell funktioniert.
Herr Schülzchen, Sie haben Entrix im Spätsommer 2021 zusammen mit einem Investor gegründet. Was macht Ihre Geschäftsidee, die Flexibilität netzgebundener Batteriespeicher zu vermarkten, so attraktiv?
Speicher müssen in Zukunft die Lücken zwischen Stromangebot und -nachfrage decken, wenn konventionelle Kraftwerk zunehmend abgeschaltet werden. Dabei geht es aber nicht einfach nur darum, die Batterien tagsüber zu laden und nachts zu entladen, sondern in der Praxis ist das Ganze ein bisschen komplizierter. Dafür braucht es eine vernünftige Software, um die Speicher intelligent zu steuern. In der Form gab es das bislang noch nicht so richtig, weil die Vermarktung eines Batteriespeichers ganz anders abläuft, als es bei den Erneuerbaren der Fall ist.
Was sind das für Batterien, über die wir sprechen?
Unser Fokus liegt momentan auf Grid-Scale Stand-alone Batterien. Grid-Scale heißt, dass wir uns im Megawatt-Bereich bewegen und es um Anlagen geht, die tatsächlich direkt ans Stromnetz angeschlossen sind. Stand-alone heißt, dass die Speicher nicht mit einem Stromerzeuger oder -verbraucher gekoppelt sind. Allerdings entwickeln wir uns gerade genau in diese Richtung weiter. Vor allen Dingen in Deutschland sehen wir einen relativ starken Trend hin zu Co-Location von Erneuerbaren, insbesondere Photovoltaik und Batterien. Dabei lassen sich Synergien nutzen, etwa im Hinblick auf ein besseres Vermarktungsprofil oder auf geringere Kosten in der Errichtung der Anlagen. Hier arbeiten wir gerade an den ersten Projekten und bauen Kompetenzen in diesem Bereich auf.
Perspektivisch wollen wir Flexibilität deutlich breiter denken und nicht bei Grid-Scale Batterien stehen bleiben. Die Möglichkeiten hier sind vielfältig, weil sich künftig voraussichtlich zahlreiche Elemente des Energiesystems flexibel steuern lassen. Wir sprechen hier dann auch über Elektrofahrzeugflotten, Heimspeicher, Industrieparks, Microgrids, Elektrolyseure und so weiter. Für uns bei Entrix ist das noch ein bisschen Zukunftsmusik, aber grundsätzlich die Richtung, in die wir uns zu gegebener Zeit hin entwickeln wollen.
Was genau vermarktet Entrix und wie funktioniert das?
Wir bilden die Schnittstelle zwischen der Batterie und den Energiemärkten. Zum einen technisch und zum anderen liefern wir quasi die Intelligenz dazu. Wir entscheiden, ob die Batterie genau zum jetzigen Zeitpunkt laden oder entladen soll. Dafür müssen wir vorhersehen, in welche Richtung sich die kurzfristigen Energiemärkte bewegen und verfolgen dafür beispielsweise live sämtliche Handelsaktivitäten, die im Intraday-Markt stattfinden.
Außerdem können Batterien für die Erbringung von Regelleistung verwendet werden. Hier ist es so, dass Batterien sehr schnell auf Frequenzschwankungen im Netz reagieren können. Mit einem Frequenzmesser misst die Batterie, in welcher Frequenz sich das Netz gerade bewegt. Wenn sie dafür aktiviert ist, diese Systemdienstleistung anzubieten, reagiert die Batterie automatisch und entnimmt beispielsweise dem Netz Strom, wenn die Frequenz zu hoch ist. Aus Vermarktungssicht muss man sich im Vorfeld überlegen, ob man am nächsten Tag in einem spezifischen Zeitfenster, das sind Blöcke von jeweils vier Stunden Dauer, diese Dienstleistung anbieten möchte oder nicht. Und falls ja, zu welchem Preis.
Auch andere Unternehmen vermarkten Flexibilität. Was macht Entrix anders oder besser?
Anders als bislang üblich kombinieren wir die verschiedenen Erlösströme. Bisher geht es bei Unternehmen, die Flexibilität vermarkten, häufig allein um die Regelleistung. Unser System überlegt dagegen in Echtzeit, ob es zum Beispiel in einem bestimmten Zeitfenster überhaupt Sinn macht, komplett in die Regelleistung zu gehen oder ob es nicht besser wäre, von der Batteriekapazität vielleicht 70% für Regelleistungen und 30% auf den Handelsmärkten anzubieten. Und wenn ich das kombiniere, muss ich natürlich an den Handelsmärkten entsprechend aktiv werden. Das ist ein ganzes Stück weit komplizierter, als nur die Regelleistung zu vermarkten. Kurz gesagt: Wir kümmern uns um die gesamten Kombinationsmöglichkeiten der Erlösströme und versuchen quasi für jedes einzelne Viertelstundenfenster die bestmögliche Vermarktungsvariante zu finden – das Ganze nennt man Value Stacking.
Ihre Algorithmen berücksichtigen auch den Lebenszyklus der Batterie, die Alterung und Abnutzung. Wie wirkt sich das auf die Vermarktung aus?
Wie beim Smartphone altert auch eine große Batterie schneller, wenn sie in Randbereichen betrieben wird, also zu stark oder ganz schnell geladen oder entladen wird. Das ist ein bisschen so wie mit dem Drehzahlmesser beim Auto. Wenn man ständig im roten Bereich fährt, hält das Auto nicht so lang. Darum setzen wir unsere Lösung so auf, dass die Kosten verschieden sind, je nachdem ob die Batterie gerade mittelvoll, ganz voll oder leer ist. Und ob wir sie mit Vollgas oder nur mit halbem Gas bewegen, weil das Implikationen auf die Temperatur und die Effizienz der Anlage hat. Das muss man also differenziert betrachten, weil man damit die Lebensdauer der Batterie verlängern kann.
Und Ihre Software berechnet dann, ob es sich lohnt, die Batterie zu belasten oder sie lieber zu schonen?
Genau. Wenn ich, ganz plump formuliert, von 90% auf 95% mit Vollgas laden möchte und die Batterie dort dann für einen längeren Zeitraum stehen lasse, ist das relativ teuer in der Abnutzung. Man muss also berechnen, wie hoch die Abnutzungskosten sind und dann schauen, ob sie trotzdem niedriger sind als das, was ich am Markt erlösen kann. Wenn ich aber feststelle, ich kann mit einer Aktivität vielleicht nur 50 Cent rausholen, verliere aber zwei Euro an Abnutzung, dann lass ich es lieber.
Wer gehört zu Ihren potenziellen Kunden?
Unsere Kunden sind letztendlich die Eigentümer dieser Batterien und zu einem gewissen Grad auch die Projektentwickler. Häufiger sind die Eigentümer Personen und Unternehmen, die bereits in den vergangenen Jahren intensiv in erneuerbare Anlagen investiert haben, also Infrastrukturfonds oder Family Offices, die private Großvermögen verwalten. Das sind unsere Kernkundengruppen. Die Eigentümer können auch Energieversorger oder Stadtwerke sein, wobei diese, vor allem die größeren, oft ihre eigenen Lösungen haben. Interessant ist unser Angebot daher vor allem für kleinere bis mittlere Stadtwerke, die ein bisschen innovativer sind und ihre Anlagen profitabel betreiben möchten.
Viele Projektentwickler gehen in der Wertschöpfung relativ weit bis hin zu Vermarktungsentscheidungen, bestimmen also welches Unternehmen die Optimierung nachher durchführen soll. Werden die Projekte schon früher übergeben, haben die Projektentwickler trotzdem oft schon ein paar Unternehmen an der Hand, die sie dem Eigentümer für die Vermarktung empfehlen können. Für uns sind die Projektentwickler also ein entscheidender Ansprechpartner, zumal diese oft auch zentrale Designentscheidungen für die Projekte treffen, bei denen wir als Optimierer einen Beitrag leisten können.
Ist Deutschland denn ein attraktiver Markt für Entrix, auch wenn die Energiewende bislang oft schleppend verlief?
Deutschland ist auf jeden Fall ein interessanter Markt und für uns unter den Top Fünf der europäischen Märkte. An der Spitze steht Großbritannien, das wird im Zweifel auch so bleiben. Italien und Spanien könnten noch ganz interessant werden, was die reine Größe angeht. Darüber hinaus könnten auch die Beneluxländer, und manche skandinavische Länder spannend sein. Die sind zwar von den Anschlussleistungen, die da erwartet werden, kleiner, aber könnten aus der Optimierungsperspektive trotzdem interessant sein. Man sollte nicht nur auf die Größe schauen, sondern vor allem die Eigenschaften der Energiemärkte im Blick haben, denn für uns ist letztendlich die Preisvolatilität an den kurzfristigen Märkten besonders wichtig. Da können Batterien einen besonders großen Beitrag leisten.
Wie schätzen Sie das Potenzial für die Vermarktung netzgebundener Speicher ein?
Grundsätzlich gut! Wobei es schwer ist, das genau in Zahlen festzuzurren. Laut der Internationalen Energieagentur brauchen wir 2050 weltweit 150 mal mehr Batteriespeicher als wir sie in 2020 hatten. Das ist ein Markt, in dem 1,2 Billionen US-Dollar Investitionsvolumen stecken. Dieses Geld, das auch wieder reingeholt werden muss, läuft letztendlich komplett über Vermarkter wie uns. Das ist die globale Perspektive.
Das Interview führte Simone Pabst.
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