Die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien treibt die Energiewende derzeit schnell voran, doch Sonne und Wind lassen sich nicht je nach Bedarf ein- und ausschalten. Das stellt an das Energiesystem von morgen eine Vielzahl an neuen Anforderungen. Ein zentraler Aspekt: Es ist gegenüber heute ein deutlich höheres Maß an Flexibilität erforderlich, um Bereitstellung und Verbrauch des elektrischen Stromes im Gleichgewicht zu halten, rund um die Uhr, an jedem Tag im Jahr. Flexible Verbraucher können und müssen dazu einen erheblichen Beitrag leisten. Wie das schon in naher Zukunft geschehen kann, wird ein wichtiges Thema bei der EM-Power Europe, der internationalen Fachmesse für Energiemanagement und vernetzte Energielösungen, sein. Die Fachmesse präsentiert die neuesten Produkte, Technologien und Trends im Bereich Netz- und Energiemanagement für mehr Flexibilität im Energiesystem. Abgerundet wird das Messeangebot durch ein vielfältiges Vortrags- und Diskussionsprogramm der EM-Power Europe Conference sowie auf dem The smarter E Forum. Die EM-Power Europe ist Teil von The smarter E Europe, Europas größter Messeallianz der Energiewirtschaft, und findet vom 19. bis 21. Juni 2024 parallel zur Intersolar Europe, ees Europe und Power2Drive Europe in München statt.
Besonders in den kommenden Jahren muss das Energiesystem schnell deutlich flexibler werden: „Nach Berechnungen der EU wird der Bedarf an Flexibilität von heute bis 2030 um 133 Prozent steigen“, erklärt Michael Villa, Geschäftsführer des europäischen Industrieverbands smartEn. Bis zum Jahr 2050 sei dann noch ein Mehr an Flexibilität von 25 Prozent erforderlich. In einer aktuellen Studie kommt Agora Energiewende zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2035 E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher rund zehn Prozent des dann benötigten Jahresbedarfs an Strom in Deutschland zeitlich verschieben können werden. Das wären etwa 100 Terawattstunden. Diese verbraucherseitige Flexibilität spart volkswirtschaftlich rund 4,8 Milliarden Euro. Doch wie genau können die Verbraucher diesen Beitrag zur Energiewende leisten?
Ein erster Verbraucherbeitrag zur Flexibilisierung ist schon seit Jahren bewährter Stand der Technik: Prosumer mit einer eigenen Photovoltaikanlage koppeln diese mit einem stationären Batteriespeicher, der eigenen Wärmepumpe und laden ihr Elektroauto mit dem selbst erzeugten Strom. Geregelt wird all dies durch ein Heimenergiemanagementsystem (HEMS). Damit minimieren sie nicht nur den eigenen Strombezug aus dem Netz – sie entlasten durch einen maximalen Eigenverbrauch auch das jeweilige Verteilnetz, weil der erzeugte Solarstrom nicht eingespeist werden muss.
Ein Grundgesetz der Ökonomie macht auch vor dem Energiesystem keinen Halt: Angebot und Nachfrage stehen in direktem Zusammenhang und erzeugen zum Teil sehr schnell und stark schwankende Preise. Auf dem Strommarkt heißt dies: Wenn die Sonne am wolkenlosen Himmel strahlt und dazu noch ein frischer Wind geht, wird der Strom an der europäischen Handelsplattform EEX billiger. Bisher bekommen die Verbraucher davon kaum etwas mit. Doch ab 2025 sind alle Stromanbieter in Deutschland verpflichtet, ihren Kunden einen dynamischen, auf die Marktlage reagierenden Stromtarif anzubieten. Diese können dann ihren Verbrauch auf Zeiten optimieren, an denen günstiger und erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, und dadurch bares Geld sparen. Die Sache hat allerdings einen Haken: Wenn viele Verbraucher zu genau diesen Zeiten gleichzeitig viel Strom verbrauchen, werden die Verteilnetze erheblich belastet.
Diesem Effekt könnte eine Flexibilisierung der Netzentgelte entgegenwirken. Auch hier greift ab 2025 in Deutschland ein Marktmechanismus: Zu Zeiten hoher Netzauslastung werden die Netzentgelte höher, bei geringer Auslastung sinken sie. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) kommentiert diese Neuerung: „Mit den zeitvariablen Netzentgelten werden erstmals Anreize eingeführt, um Netzengpässe in der Niederspannung präventiv zu verhindern. Dieses zunächst sehr einfache Modell ist wichtig, um den Einstieg in die Nutzung der vorhandenen Flexibilität zu finden und Erfahrungen zu sammeln. Aber es müssen zukünftig noch weitere Hindernisse für die Nutzung von Flexibilität abgebaut werden.“ Netzentgelte seien dafür auf Dauer allerdings ungeeignet, weil sie zum Beispiel Erzeuger und Speicher nicht adressieren. Dazu brauche es eine grundsätzliche Reform der Netzentgeltstruktur.
Auch die Versorger können und werden in immer höherem Maße zur Flexibilität beitragen. Ihr Werkzeug: intelligentes Lastmanagement. Wenn die Kapazität des Netzes knapp zu werden droht, können sie den Stromverbrauch ihrer Kunden durch eigenes Handeln deutlich senken. Ein schon heute vielfach erfolgreich praktiziertes Beispiel sind die Sondertarife für Wärmepumpen: Wenn sich ein Engpass abzeichnet, können die Versorger angeschlossene Wärmepumpen selbsttätig vorübergehend abschalten. Die Kunden erleiden dadaurch aber keinen Komfortverlust, da thermische Speicher ihre Häuser warm halten. Dafür beziehen sie den Strom für ihre Wärmepumpe zu einem besonders günstigen Preis.
Eine weitergehende Regelung ist in Deutschland noch brandneu: Eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erlaubt den Netzbetreibern, Wallboxen und Wärmepumpen gezielt zu drosseln, wenn an einer Stelle eine Überlastung des Netzes droht. Im Gegenzug dürfen die Netzbetreiber den Anschluss solcher Verbraucher nicht mehr mit dem Verweis auf eine mögliche Netzüberlastung ablehnen. Bis diese Möglichkeit allerdings in der Praxis wirksam wird, wird es nach Ansicht des bne noch eine ganze Weile dauern: Die nötigen Steuervorrichtungen bei den Verbrauchern und die erforderliche Messtechnik in den Netzen sind bisher nämlich die Ausnahme.
Einblicke in die digitalisierten und flexiblen Verteilnetze der Zukunft bietet die EM-Power Europe vom 19. bis 21. Juni 2024 in München ihren Fachbesuchern. Hier treffen sich alljährlich führende internationale Akteure, die Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle für integrierte Energielösungen und stabile Strometze anbieten. Darüber hinaus steht das The smarter E Forum (Halle B5, Stand B5.550) an allen drei Messetagen ganz im Zeichen der Digitalisierung und Flexibilisierung. Begleitend zur Fachmesse bietet die EM-Power Europe Conference am 18. und 19. Juni die Gelegenheit, sich mit internationalen Experten über die intelligente Vernetzung dezentraler Erneuerbare-Energien-Anlagen, das Netzmanagement und vieles mehr auszutauschen. Vor allem am ersten Konferenztag wird die Flexibilisierung der Netze ein wichtiges Thema sein. Am 18. Juni werden unter anderem die Sessions „Flexible Stromnetze und innovatives Netzmanagement“ (ab 11.30 Uhr) und „Großspeicher auf Netzebene für mehr Angebots- und Nachfrageflexibilität“ (ab 14.30 Uhr) angeboten. Erweitert wird das Session-Angebot am zweiten Konferenztag um die Themen Energy Sharing und Flexibilisierung der Nachfrage.
Die EM-Power Europe sowie die Parallelveranstaltungen Intersolar Europe, ees Europe und Power2Drive Europe finden vom 19. bis 21. Juni 2024 im Rahmen von The smarter E Europe, Europas größter Messeallianz für die Energiewirtschaft, auf der Messe München statt.