Energiewende braucht Flexibilität und die braucht Digitalisierung

Trendpapier – 4. März 2025

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Die Energiewende steht vor einem Wendepunkt: Während der Ausbau erneuerbarer Energien weltweit rasant voranschreitet und konventionelle Kraftwerke wie Kohle- und Atomkraft in vielen Ländern stillgelegt werden, wird das Stromsystem immer stärker von Wetterbedingungen bestimmt. Um diese neuen Herausforderungen im Stromsystem zu meistern, braucht es mehr als ambitionierte Ziele – es braucht Flexibilität.

Doch Flexibilität funktioniert nur mit umfassender Digitalisierung. Sie schafft die Grundlage, um Stromflüsse in Echtzeit zu überwachen, Anlagen präzise zu steuern und den Verbrauch intelligent anzupassen. Warum die Digitalisierung trotz aller Dringlichkeit in Deutschland seit einem Jahrzehnt stagniert – und wie eine Vereinfachung des Systems den entscheidenden Durchbruch bringen könnte – analysiert dieses Trendpapier.

Die Energiewende gelingt nur, wenn der Strommarkt digitalisiert wird. Grund hierfür ist die weitreichende Veränderung der deutschen Energiewelt: Während die erneuerbaren Energien einen rasanten Ausbau erleben, werden gleichzeitig zentrale Stromerzeuger wie Atom- oder Kohlekraftwerke abgebaut. Die daraus folgende immer stärker wettergeführte Einspeisung führt zu neuen Herausforderungen im Stromsystem.

Insbesondere die Betreiber der Verteilnetze müssen wissen, wie viel Strom welche Anlagen wann ein- oder ausspeisen. Außerdem muss es im Ernstfall möglich sein Anlagen abzuregeln oder zuzuschalten, damit es zu keinen Störungen im Netz kommt. Dafür müssen die Anlagen in Echtzeit sichtbar und regelbar sein. Das alles ist nur durch eine digitale Netzzustandsüberwachung und die Digitalisierung der relevanten Kundenanlagen möglich.

Ohne Digitalisierung keine Flexibilisierung

Dabei geht es nicht nur um die Auslastung der Netze. Immer wichtiger wird die grundsätzliche marktgesteuerte Flexibilisierung des Stromverbrauchs. Schließlich kann das Stromangebot der Erneuerbaren im Tagesverlauf stark schwanken: Während zur Mittagszeit Millionen Solaranlagen große Strommengen einspeisen, sinkt das Angebot am Abend deutlich. Dies führt dazu, dass an der Strombörse die Preise stark schwanken und zeitweise sogar negative Preise entstehen können, also Kunden für die Abnahme von Strom bezahlt werden.

Hiervon können Unternehmen und private Verbraucher profitieren: Wenn sie ihren Stromkonsum flexibel gestalten und auf Zeiten legen, in denen die Preise niedrig sind, ist bares Geld zu sparen. Auch Betreiber von Batterien können sich so netzdienlich oder marktlich verhalten und dann laden, wenn das Stromangebot groß ist und entladen, wenn die Stromproduktion sinkt und die Preise steigen. Dafür müssten Lieferanten jedoch Stromtarife anbieten, die dynamisch auf das Stromangebot und die Preise reagieren. Um solche Verträge anbieten und abrechnen zu können, müssten sie wissen, wie viel Strom zu welchem Zeitpunkt verbraucht wird. Dafür braucht man einen digitalen Stromzähler und möglicherweise ein intelligentes Messsystem (iMSys).

Warum die Digitalisierung bisher scheitert

Doch obwohl sich von der Politik über die Netzbetreiber bis zu den Verbrauchern alle einig sind, dass die Digitalisierung endlich kommen muss, scheitert sie seit über zehn Jahren. In Deutschland gibt es etwa 50.000.000 so genannte Messlokationen, das heißt Orte im Netz, an denen Strom physisch gemessen wird. Davon ist bisher bei nur an rund 1,5 Prozent ein Smart Meter installiert. Zum Vergleich: In skandinavischen Ländern beträgt die Marktdurchdringung mit Smart Metern 99-100 Prozent, in Italien (97,2 Prozent) und Frankreich (92 Prozent) knapp darunter (2022). Deutschland gehört damit beim Rollout von Smart Metern zu den europäischen Schlusslichtern, gemeinsam mit Griechenland, Zypern oder Ungarn.

Für das Scheitern gibt es mehrere Gründe. Die deutschen Regelungen schreiben den Smart-Meter-Rollout bisher in einer überkomplexen Art und Weise vor. Deshalb begann der Einbau von zertifizierten Geräten nur mit großer Verzögerung. Die Überkomplexität und Überbürokratisierung haben auch zur Folge, dass der Wettbewerb weitgehend nicht mehr existiert. Viele wettbewerbliche Messtellenbetreiber sind ausgeschieden. Ausländische Anbieter scheuen die deutsche Komplexitätsfalle. Daher sind für den Einbau die rund 850 deutschen Verteilnetzbetreiber zuständig. Dort sind vielfach weder das nötige Wissen und das erforderliche Personal noch das nötige Interesse vorhanden, um die Technik installieren und bedienen zu können. Zwar ist ab dem kommenden Jahr gesetzlich vorgeschrieben, dass bestimmte Verbrauchsgruppen mit Smart Metern ausgestattet werden. Angesichts der großen Hürden ist es aber kaum realistisch, dass ein echter Rollout tatsächlich kommt.

Vereinfachung ist die Lösung

Damit die Digitalisierung endlich auch in deutschen Kellern umgesetzt wird, müssen die technischen Anforderungen deutlich abgespeckt werden. Bisher verhindern die Regelungen größeren Wettbewerb, obwohl viele Unternehmen bereitstehen, um in den Smart Meter Rollout einzusteigen. Zwar sollte jede Messlokation grundsätzlich fernauslesbar sein. Hierzu bedarf es jedoch nicht zwingend immer eines teuren und technisch anspruchsvollen Smart Meters.

Vielmehr ist zu unterscheiden: in Energiewendeanlagen wie zum Beispiel Solaranlagen, Speichern, Ladesäulen und Wärmepumpen müssen iMSys installiert werden, weil sie online steuerbar sein müssen. Hier sind hohe Sicherheitsanforderungen einzuhalten, weil es nicht nur um Abrechnungsdaten geht. Dagegen reicht es bei den allermeisten Verbrauchern, wenn ihr Stromkonsum durch den digitalen Stromzähler (ggf. später) fernauslesbar und damit abrechenbar ist. Bei diesen Kunden ist eine Online-Steuerbarkeit nicht nötig.

Glossar

Moderne Messeinrichtung (mME): digitalisierte Stromzähler.

Intelligentes Messsystem (iMSys): erfassen Einspeisung sowie Stromverbrauch und stellen diese Daten dem Markt zur Verfügung. Sie bestehen aus einer modernen Messeinrichtung („digitaler Stromzähler“) + Smart-Meter-Gateway (SMGW, „Kommunikationseinheit“).

Ein intelligentes Messsystem wird auch als „Smart Meter“ bezeichnet.

Über die Trendpapiere

Unsere Trendpapiere bieten Ihnen Hintergründe und aktuelle Entwicklungen in ausgewählten Bereichen der neuen Energiewelt. Hier geht es zur Übersicht der Trendpapiere.

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