IT-Unternehmen startet lokale Energie Community
In Brunnthal bei München will das IT-Unternehmen GreenCom Networks zeigen, dass sich eine Gemeinde vollständig selbst CO2-neutral mit Strom versorgen kann. Dafür sollen Prosumer ihren selbsterzeugten Strom mit anderen Bürgern teilen. Digitale Technologien sorgen dabei für die Balance im Netz, die optimale Nutzung und die Abrechnung des Stroms untereinander. Das Projekt dient als Modell für Kunden weltweit.
„Klein, aber oho“ könnte das Motto für einen neuen Trend lauten: Deutsche Kleinstädte als Keimzellen für neue, klimafreundliche Technologien. Während gerade alle Aufmerksamkeit auf das zukünftige Tesla-Werk in Grünheide gerichtet ist, soll sich nach dem Willen des IT-Unternehmens GreenCom Networks auch im bayerischen Brunnthal, 20 km südlich von München, etwas Weltbewegendes entwickeln. „Unser Ziel ist, durch unsere digitale Technologie eine CO2-neutrale Gemeinde als Komplettlösung für unsere Kunden weltweit anbieten zu können”, beschreibt Dr. Felix Grolman, Vorstandsmitglied von GreenCom das Vorhaben. Die gut 5.000 Einwohner der Gemeinde werden dabei möglichst viel erneuerbaren Strom selbst erzeugen und vor allem selbst nutzen. Dafür will das Home Energy Management (HEM) und Energy IoT Unternehmen unter seiner Marke shine als Energieversorger eine lokale Energie Community gründen. Das Projekt startet Ende des Jahres und hat bereits vom Gemeinderat grünes Licht für die Integration der öffentlichen Gebäude bekommen.
In der Community können Mitglieder, sowohl Konsumenten als auch Prosumer, die dezentrale Anlagen besitzen, Energie miteinander teilen. Erzeugt beispielsweise ein Haushalt mit seiner PV-Anlage gerade mehr Strom als benötigt wird, während der Nachbar sein Elektroauto lädt, dann optimiert shine Verbrauch und Erzeugung in der Community. Prosumer, die selbst erzeugten Strom einspeisen, bekommen dafür als Anreiz neben der normalen Einspeisevergütung 1 ct/kWh Bonus, wenn dieser Strom in der Community verbraucht wird. Brunnthaler Bürger, die vor Ort generierten Strom nutzen, beispielsweise, um ihr Elektroauto oder einen Batteriespeicher zu laden oder auch um eine Wärmepumpe oder ihren Wäschetrockner zu betreiben, erhalten 3 ct Rabatt pro kWh aus der Community für ihr netzdienliches Verhalten. Den restlichen benötigten Strom kauft shine an der Strombörse zu, da der Versorger keine eigenen Kraftwerke betreibt. „Dabei handelt es sich um grünen Strom aus Wasserkraft, Solarkraft und Windkraft“, verspricht Grolman.
Damit die Energie-Community funktioniert, baut GreenCom bei den Teilnehmern Smart Meter und ein Gateway zur Datenübertragung und Kommunikation ein. Ein digitales Energiemanagement erfasst alle Daten und wertet sie aus. So weiß das Unternehmen in Echtzeit, wie viel Strom ins Netz eingespeist und wieviel wo benötigt wird. Dafür nutzt GreenCom schon vorhandene eigene Softwareprodukte und entwickelt sie teilweise weiter. Mit eibp, der energy information brokerage platform, hat das Unternehmen bereits eine etablierte Plattform, um dezentrale Anlagen wie Solarwechselrichter, BHKWs, Wärmepumpen, Nachtspeicheröfen, Batteriespeicher oder auch Ladesäulen für Elektro-Autos zu integrieren und zu steuern. Die HEM-Lösung eibp:boost optimiert die Energieflüsse und liefert den Endkunden außerdem individuelle Prognosen, Analysen und Reports zu den eigenen dezentralen Anlagen in einer einzigen App. Mit eibp:mesh hat der IT-Dienstleister eine Technologie, um die Mitglieder der Community zu vernetzen und die Energieflüsse im Stromnetz zu optimieren. Auf diese Weise können die Teilnehmer auch sehen, wie viel Strom in der Gemeinschaft gerade erzeugt und verbraucht wird. Mit eibp:empower schließlich lassen sich Stromtarife erstellen, die Boni berechnen und Abrechnungen automatisieren.
Durch die intelligente Steuerung der Stromflüsse wird das Netz effektiv entlastet. Herausforderungen, die die Energiewende mit sich bringt, lassen sich so auch ohne großen Aufwand lösen: „Wenn in einer Straße fünf Teslas parken, die alle gleichzeitig geladen werden, dann müsste eigentlich der Netzbetreiber die Straße aufreißen und ein neues Kabel legen“, verdeutlicht Grolman mit einem Beispiel. „Wenn aber unsere Technologie da ist, können die fünf Teslas auch ohne neue Kabel geladen werden, etwa zeitversetzt bis zum nächsten Morgen, je nach Bedarf.“
Bislang sieht es mit der Stromerzeugung im Ort mäßig aus. Bei rund 2.500 Haushalten plus Industrieunternehmen im Ort gebe es momentan 200 Solaranlagen mit 3.200 kWp Leistung, berichtet Grolman. Dazu kämen Biogasanlagen und BHKWs. Zu Beginn werde man knapp 90% des Stroms zukaufen müssen. Das soll sich aber nach und nach ändern, auch mithilfe der Stromdaten, die in der Community erfasst werden. „Anhand der Daten können wir sehen, in welchem Teil von Brunnthal wir tagsüber viel Strom benötigen, dann wäre hier der Bau einer Solaranlage sinnvoll.“ Und in der Nähe von Unternehmen könne sich der Bau eines kombinierten Strom- und Heizkraftwerks als sinnvoll erweisen. Dass die Wahl für die Energie-Community trotz der bislang begrenzten Nutzung erneuerbarer Energien auf Brunnthal fiel, liegt übrigens in einem etwas anderen Ortsvorteil – Christian Feißt, der Vorstandschef von GreenCom Networks, wohnt in der Gemeinde.
Geld verdienen wird GreenCom mit der Community nach eigenen Angaben erst einmal nicht. „Das zahlen wir aus eigener Tasche, weil wir zeigen wollen, dass sich so ein Modell lohnt“, erklärt Manager Grolman. Das Projekt soll als Schaufenster für potenzielle Kunden dienen, um zu demonstrieren, dass das System funktioniert. Erst in einem zweiten Schritt will das Unternehmen Umsätze generieren, in dem es die „Energie-Community-as-a-Service“ als Komplett-Lösung anbietet. „Als Software-Unternehmen können wir unser System millionenfach skalieren“, sagt Grolman. Allerdings benötige man Partner. Realistisch sei daher, dass eine hohe zweistellige Zahl an Gemeinden in den kommenden fünf Jahren auf das System setzt.
Jetzt geht es Grolman aber erst einmal um die digitale Energiewende in Brunnthal. Eine Prognose, wann sich die Gemeinde zu 100% selbst mit grünem Strom versorgen wird, wagt Grolman nicht. „Wir können nur die Anreize setzen, wir können den Menschen die Entscheidung nicht abnehmen.“ Er hoffe aber, dass Brunnthal in fünf bis acht Jahren zumindest die Hälfte des Strombedarfs selbst decken wird.
Von Simone Pabst
Weitere Informationen: GreenCom Networks