Wie eine energieintensive Gießerei den Weg zur CO2-Neutralität geschafft hat
In der Automobilindustrie ist der Preiskampf unter den Zulieferern hart. Gleichzeitig will die Branche den Klimaschutz vorantreiben und in Zukunft mehr auf den ökologischen Fußabdruck der Bauteile achten. Die Adolf Föhl GmbH & Co. KG ist als Hersteller von Zinkdruckgussteilen ihrer Zeit voraus und produziert seit Januar in ihren deutschen Werken CO2-neutral. Das Best-Practice-Beispiel beschreibt den langen Weg dorthin.
Immer mehr Unternehmen setzen sich das Ziel, klimaneutral zu werden. Während sich die meisten erst auf den Weg machen, hat die Adolf-Föhl-Gruppe aus dem baden-württembergischen Rudersberg bei Stuttgart die CO2-Neutralität schon erreicht. Mit rund 700 Mitarbeitern stellt sie in Deutschland und China Druckgussbauteile aus Zink oder Kunststoff für die Anwendungsbereiche Automotive, Befestigung, Elektronik und für die Industrie her. Seit Januar arbeiten alle drei Werke in Deutschland klimaneutral. Bis zum Sommer will sich die Gießerei ihre CO2-Neutralität nach der ISO-Norm 14064 validieren und zertifizieren lassen. Föhl beweist damit, dass auch eine energieintensive Fabrik klimaneutral sein kann. Dabei ist das Familienunternehmen in der dritten Generation nicht erst durch die jüngsten Ereignisse und Diskussionen zum Klimaschutz auf das Thema aufmerksam geworden. „Klimaschutz hat bei uns Tradition“ betont Geschäftsführer Dr. Frank Kirkorowicz, „wir haben uns schon vor 25 Jahren auf den Weg gemacht, unseren CO2-Fußabdruck kontinuierlich zu verbessern“
Der promovierte Mediziner heiratete in das Unternehmen ein und übernahm 1996 die Firmenleitung. „Als Arzt und Quereinsteiger brachte ich das „Mensch-Natur-Thema“ mit ein. Ein Unternehmen, das erfolgreich sein will, braucht gesunde Mitarbeiter. Und gesunde Mitarbeiter brauchen eine gesunde Natur. Dieses Grundverständnis haben wir in unserer Unternehmenspolitik verankert.“
Entlang einer Roadmap hat die Gießerei in den vergangenen 25 Jahren ihren Energie- und Materialverbrauch unter der Devise „smart, lean und green“ immer weiter gesenkt. Als ersten Schritt auf seinem Weg führte Föhl 1996 das europäische Umweltmanagementsystem EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) ein. Der Aufbau des EU-Öko-Audits entspricht der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001. EMAS geht jedoch über ein reines Managementsystem hinaus. „Jeder einzelne Standort, an dem produziert wird, wird validiert und in ein Register eingetragen“, erklärt Kirkorowicz. Dabei werden alle umweltrelevanten Tätigkeiten und Daten zur Umwelt, wie Emissionen, Abfälle, biologische Vielfalt, Ressourcen-, Wasser- und Energieverbräuche erfasst. EMAS ist leistungsorientiert; auditierte Unternehmen müssen sich Ziele setzen, wie sie ihre Umweltbilanz kontinuierlich verbessern und entsprechende Maßnahmen aufstellen. Dabei sollen auch die Beschäftigten miteinbezogen werden.
„Ein weiterer Meilenstein war 1999 der Bau der energieeffizientesten Gießerei in Europa“, berichtet Andreas Eigner, der Leiter des Umwelt- und Energiemanagements bei Föhl. 40% der Investitionen seien damals umweltrelevant gewesen. Weil die Gießerei in einem Umweltschutzgebiet errichtet wurde, habe man sehr strenge Auflagen des Regierungspräsidiums Stuttgart erfüllen müssen. „Darum haben wir dort die damals modernste Technologie verbaut, was Abluftreinigung, Kühlwasser, Wärmerückgewinnung oder den Hochwasserschutz betrifft.“
2013 führte Föhl ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 ein. Zwar war das Energiemanagement schon im EMAS verankert, aber mit diesem Schritt habe die Energieeffizienz nochmal einen anderen Stellenwert bekommen. Als technische Maßnahmen, um die Effizienz zu steigern, stellte das Unternehmen unter anderem auf LED-Beleuchtung um und modernisierte alte ineffiziente Abluftanlagen. Ein intelligentes Gebäude- und Energielastmanagement wurde umgesetzt. Jedes Jahr beschließe man neue Maßnahmen, um die Energieeffizienz weiter zu steigern, sagt Eigner.
Um Energie, Transportwege und Material einzusparen, entwickelt das Unternehmen auch neue, nachhaltige Produktionstechniken. Dabei hat der ökologische Aspekt genauso einen Stellenwert wie der ökonomische. „Wir versuchen bei allen Investitionen grundsätzlich immer die Spannungsfelder Ökologie und Ökonomie zu tragfähigen Lösungen zu verbinden“, erläutert Kirkorowicz die Philosophie seines Unternehmens.
Eine dieser Produktionstechniken ist der 2016 eingeführte Heißkanal. Mit dieser Technologie können Zinkdruckgussteile ohne das sonst übliche Angusssystem gegossen werden. Die Maschine presst die Zinkschmelze direkt in den Hohlraum, der am Ende das gewünschte Bauteil formt. Durch den Wegfall des Gießlaufes kommt weniger Luft in das Gussteil, das dadurch weniger porös und stabiler ist. Außerdem muss weniger Zink wieder eingeschmolzen werden und die Gussformen sind kleiner, was die Kapazität der Maschinen erhöht. Durch diese Vorteile spart Föhl gegenüber dem konventionellen Druckguss für den gleichen Output bis zu 50% Energie ein.
Eine zweite Innovation ist die Beschichtungstechnik Föhlan, die 2018 eingeführt wurde. Die Zinkdruckgussteile werden mit Dünnschichtpassivierung beschichtet und dadurch vor Beschädigung und Korrosion geschützt. Dabei wird in Flüssigkeit gelöstes Siliziumoxid verwendet. Die Technologie ist eine umweltfreundliche und wirtschaftliche Alternative zur konventionellen Galvanik. „Wir können mit Föhlan bis zu 90% Energie und Material einsparen und haben wesentlich weniger Gefahrstoffe“, erläutert Eigner. Da die Beschichtung nach dem Gießprozess integrierbar ist, müssen die Gussteile zum Beschichten nirgendwohin transportiert werden, auch das spart CO2.
Neben der Technik spielen die Mitarbeiter eine bedeutende Rolle für das Erreichen von Umweltschutzzielen. Dabei gehe es auch um ganz banale Dinge, wie abends beim Verlassen des Büros das Licht auszumachen oder das Wasser nicht zu lange laufen zu lassen, erklärt Kirkorowicz. Außerdem sei es wichtig, schon die jungen Menschen für das Thema Umwelt zu sensibilisieren. Seit 2017 dürfen die Auszubildenden bei Föhl beim Energiescouts-Programm der IHK mitmachen, wo sie eine theoretische und praktische Schulung erhalten. In den Unternehmen setzen die Azubis dann entsprechende Projekte um, zum Beispiel um den Stromverbrauch für die Beleuchtung zu senken oder Druckluftleckagen aufzuspüren.
2018 ging die Föhl Akademie an den Start. „Hintergrund war die digitale Transformation, die in unserer Branche aufschlug“, erzählt Kirkorowicz. Diese berge Risiken, biete aber auch viele Chancen. „Um als Unternehmen gestärkt durch die digitale Transformation hindurchzugehen, müssen wir die Menschen mitnehmen. Es gibt den Spruch „Culture eats strategy for breakfast“. Veränderung beginnt in den Köpfen. Wenn man etwas umsetzen will, braucht es dafür die entsprechende Kultur, sonst funktioniert es nicht.“ Die Föhl-Akademie bildet den Rahmen, um den Mitarbeitern die Angst vor der Digitalisierung zu nehmen und sie gleichzeitig für Neues zu begeistern. Kommunikation sei dabei das Wichtigste.
Die Digitalisierung soll vor allem Ressourcen schonen, beispielsweise durch die papierlose Fabrik und Verwaltung. Dadurch lassen sich mehrere Tonnen Papier sparen. Zwar nimmt umgekehrt der Stromverbrauch durch zusätzliche Endgeräte wie Tablets sowie leistungsfähige Server zu. Dabei achtet das Unternehmen aber auf möglichst energieeffiziente Systeme.
Das Ziel der Digitalisierung bei Föhl ist die Smart Factory. Denn eine CO2-neutrale Produktion wird nicht zuletzt durch eine schlanke, an Prozessen orientierte Fertigung erreicht. Dazu gehört eine intelligente Produktionsplanung und -steuerung, die eng mit dem Abverkauf der Kundenprodukte gekoppelt ist. Ein anderes wichtiges Thema ist die Total Productive Maintanance, die vorbeugende Instandhaltung. Hier spielt künstliche Intelligenz, also Machine Learning, eine große Rolle. Jedes Bauteil sei mit einer Unmenge an Daten und Parametern verbunden. In Zukunft könne die Maschine Schwankungen im Produktionsprozess frühzeitig erkennen, die vielleicht später zu fehlerhaften Bauteilen führen, und die Parameter, wie Temperatur, Druck etc. eigenständig anpassen. „Die Entwicklung geht hin zum autonomen Gießen“, fasst Kirkorowicz zusammen.
2019 hat Föhl schließlich beschlossen, den Rest des Energiebedarfs in Form von Strom, Öl und Gas, den es für den Betrieb seiner Maschinen braucht, auszugleichen bzw. auf erneuerbare Energien umzusteigen. Dazu kauft die Gießerei 100% Ökostrom aus Wasserkraft ein. Die CO2-Emissionen aus dem Gasverbrauch kompensiert Föhl über ein zertifiziertes Projekt in China, bei dem Windkraftanlagen gefördert werden. Den Aufwand für Kompensationsmaßnahmen will das Unternehmen nach und nach reduzieren. „Wir setzen weiterhin auf das Thema Energieeffizienz und haben noch viele Vorhaben in der Pipeline“, sagt Energiemanagementexperte Eigner. Dazu gehört, Transporte innerhalb des Produktionsablaufes zu reduzieren. Außerdem soll der Fuhrpark, soweit es ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dabei wolle man aber technologieoffen bleiben und sich nicht nur auf Elektromobilität festlegen. Aktuell habe man drei auslaufende Leasingverträge für Fahrzeuge durch Elektroautos ersetzen wollen, die seien aber erst Ende des Jahres erhältlich, ergänzt Kirkorowicz.
Unrund läuft die Energiewende seiner Meinung nach auch beim Thema EEG-Umlage. „Obwohl wir 100% Ökostrom nutzen, haben wir im Jahr 2019 1,2 Mio. € an EEG-Umlage bezahlt“, ärgert er sich. Außerdem werde Föhl fürs Energiesparen bestraft, weil man nicht mehr als energieintensives Unternehmen gelte. Föhl zahlt CO2-Steuer auf Öl und Erdgas, obwohl das Unternehmen klimaneutral ist.
Wenn es um die Energiekosten geht, bringt die CO2-Neutralität Föhl erst einmal keine Vorteile. Für die Mitarbeitersuche sei es aber ein positives Markenzeichen. „Wir bekommen hier immer wieder Zustimmung, vor allem die Jüngeren finden richtig cool, was wir machen, auch meine eigenen Kinder“, erzählt Kirkorowicz. Ob man mit der Klimaneutralität bei den Kunden, hauptsächlich der Automobilindustrie, punkten und die Mehrkosten mit diesen teilen könne, werde sich zeigen. „Das ist ein sehr preisrestriktiver Markt. Andererseits geht gerade die Automobilindustrie voran, den ökologischen Fußabdruck ihrer Bauteile zu senken. Wir werden versuchen, unseren Vorteil preispolitisch zu nutzen.“ Daimler und andere große Konzerne wollen den CO2-Footprint bei ihren Zulieferern künftig in den Vergabeprozess aufnehmen. VW will seine Elektrobaureihe komplett CO2-neutral produzieren und dafür analog zum Qualitäts- oder Kostenrating ein Nachhaltigkeitsrating für Zulieferer einführen. „Das sind Global Player, die entsprechenden Druck auf ihre Zulieferer ausüben werden“, ist sich Eigner sicher.
Unternehmen, die ihren CO2-Fußabdruck senken wollen, rät der Energie- und Umweltexperte, einfach mal zu beginnen. Ausgehend von einem Energie- und Umwelmanagementsystem, das viele schon haben, könne man relativ leicht entsprechende Projekte ableiten. Kirkorowicz empfiehlt, dabei nicht von oben nach unten vorzugehen, sondern sich Befürworter zu suchen und die Mitarbeiter zu sensibilisieren, damit entsprechende Maßnahmen eine tragfähige Basis haben. Außerdem sollte man auch die Vorteile aufzeigen: „Umweltschutz kostet nicht nur Geld, sondern bietet, wenn man ihn ernsthaft betreibt, viel Einsparpotenzial. Reduziert man Verschwendungen, sei es in Form von Transporten, Material oder Zeit, dann kann das auch einen monetären Vorteil haben.“ Von der Politik wünscht er sich klare Signale für den Klimaschutz: „Früher hätte es gereicht einen Baum zu pflanzen, heute muss man einen ganzen Wald pflanzen.“
Von Simone Pabst
Weitere Informationen: Föhl