Interview mit Tobias Dworschak, Geschäftsführer des vedec, über die Rolle der Wärme bei der Energiewende.
Gut die Hälfte des Energiebedarfs in Deutschland entfällt auf das Heizen und Kühlen. Fast 85% der dafür eingesetzten Energieträger stammen noch aus fossilen Quellen, wie Gas, Kohle und Öl. Wir haben Tobias Dworschak den Geschäftsführer des Verbands für Energiedienstleistungen, Effizienz und Contracting (vedec) gefragt, wie die Wärmewende vorangetrieben werden kann und welche Aufgaben Contractoren dabei übernehmen können.
Herr Dworschak, könnten Sie zu Beginn unseres Interviews bitte kurz erläutern, was Contracting ist?
Contracting ist quasi eine klassische Outsourcing-Dienstleistung. Ich kümmere mich nicht mehr selbst um die Energieversorgung meiner Gebäude, Immobilien oder Produktionsstätten, sondern überlasse das jemanden, der sich damit auskennt und der mit Energieeffizienz Geld verdient.
Während es früher nur um Wärmelieferung ging, geht es heute um ganzheitliche Angebote: Wärme, Strom, E-Mobilität, Lademanagement, Energiemanagement. Contracting gibt es in vielen bunten Geschmacksrichtungen. Die verbreitetste ist sicherlich das Energieliefer-Contracting, bei dem der Energiedienstleister die Erzeugungsanlagen betreibt, das Effizienzrisiko für sie übernimmt und dem Kunden die damit erzeugte Energie verkauft – etwa Wärme, Strom, Druckluft, Licht oder Kälte. Bei der Variante des Energieeinspar-Contractings geht es darum, Anlagen so zu betreiben, dass eine vorher errechnete Energieeinsparung umgesetzt wird, für die der Energiedienstleister eine Garantie übernimmt. Gerade das macht Contracting so spannend und zu einem wichtigen Puzzleteil für das Gelingen der Energiewende und der Wärmewende.
Bei der Stromerzeugung oder der Mobilität sind erneuerbare Energien in aller Munde. Im Wärmesektor scheint der Ausbau zu stagnieren. Ist dieser ein bisschen stiefmütterlich behandelt worden, was die erneuerbaren Energien betrifft? Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert, endlich auch bei der Wärmewende 100% Erneuerbare anzustreben. Für wie realistisch halten Sie das? Und wie könnte man das im Wärmesektor erreichen?
Das ist ein ganzer Blumenstrauß an wichtigen Fragen. Ich glaube „stiefmütterlich behandelt“ ist nicht der richtige Ausdruck. Vielleicht hat man nicht von Anfang an mit dem gleichen Engagement gehandelt. Im Strombereich sind wir viel weiter als bei der Wärme, das ist richtig. Dazu vielleicht zwei getrennte Aspekte:
Ich denke, es ist nicht damit getan, nur über Erneuerbare im Wärmebereich zu reden. Wir müssen viel stärker auf eine Effizienzverbesserung schauen. Die Bundesregierung hatte vor ein paar Jahren Efficiency First als großen Leitspruch ausgegeben, der meiner Wahrnehmung nach in der energiepolitischen Diskussion nicht mehr ganz so weit nach vorne getragen wird. Aber ohne mehr Effizienz wird es nicht gehen. Wir werden es wahrscheinlich nicht schaffen, die Energie, die wir heute verbrauchen, zu 100% aus Erneuerbaren zu beziehen. Vor allen Dingen nicht, wenn die Wirtschaft und die Bevölkerung wächst und wir den aktuellen Lebensstandards beibehalten wollen. Wir werden den Energieverbrauch ganz dramatisch reduzieren müssen.
Um den Rest aus Erneuerbaren zur Verfügung stellen zu können, müssen wir heute schon viel weiter in den Ausbau gehen. Dabei ist Contracting technologieoffen. Contractoren können das verbauen, was die Kunden wollen: Ob das fossile Kessel, hocheffiziente Blockheizkraftwerke, Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen oder Hackschnitzelkessel sind, ist dem Energiedienstleister erst einmal egal. Am Ende des Tages lautet die Frage, wie wirtschaftlich ist das? Und komme ich damit auf einen Energiepreis, der für den Kunden attraktiv ist? Ich glaube, da ist im Moment eine der wichtigen Stellschrauben. Diese Kostendifferenz zwischen Fossilen und Erneuerbaren müssen wir noch in den Griff bekommen. Der CO2-Preis ist ein richtiges Signal in diese Richtung.
Im The smarter E Podcast hat der Tübinger OB vor ein paar Wochen gesagt, dass die Dringlichkeit bei der Bekämpfung des Klimawandels inzwischen so groß ist, dass man nicht warten kann, bis alle Häuslebauer ihre Photovoltaik aufs Dach geschraubt und die Wärmepumpen installiert haben. Es gehe viel schneller, die Heizung rauszuschmeißen und die Häuser an CO2-neutrale Fernwärme anzuschließen. Damit ist die Bürgerenergiewende aber ein Stück weit am Ende und wir brauchen, vielleicht provokativ gesagt, größere Lösungen. Wie sehen Sie das?
Ich glaube vor allem, dass wir verschiedene Lösungen brauchen. So ein one size fits all werden wir am Ende nicht bekommen. Es gibt Anwendungsfälle, in denen es nicht so einfach ist, eine Lösung für alle umzusetzen. Ich wohne hier im Ländlichen in einer 5.000 Einwohner Gemeinde. Hier brauchen wir andere Lösungen als im Herzen von Berlin, Köln oder Hamburg, wo wir eine Fernwärmeversorgung haben, die auf Erneuerbare umgestellt werden kann oder es vielleicht schon ist.
Ich habe ein bisschen die Sorge, dass wir zu sehr auf diese einzige Lösung schauen, die es in der Vielfalt der Anwendungsprojekte gar nicht gibt. Was aber nicht heißen soll, dass wir uns jetzt in einer kleinteiligen Diskussion zerfasern sollen. Wichtig ist, dass wir in die Umsetzung kommen. Wir brauchen einen vernünftigen Pfad und verlässliche Rahmenbedingungen, damit Investoren heute wissen, in welche Technologie sie investieren sollen. Wenn sich jedes halbe Jahr der Technologietrend ändert, führt das zu einer Verunsicherung.
In Baden-Württemberg ist jetzt die kommunale Wärmeplanung für Stadtkreise und Große Kreisstädte über 20.000 Einwohner verpflichtend. Reicht das Ihrer Meinung nach als Anschub für die Entwicklung von klimaneutralen Quartierskonzepten aus?
Ein Plan ist so gut wie seine Umsetzung. Wenn ich eine kommunale Wärmeplanung durchführe, ist niemandem damit geholfen, wenn sie in der Schublade liegt und die nächsten 20 Jahre dort verstaubt. Ich sage nicht, dass das der Fall. Trotzdem ist diese Verpflichtung zur Wärmeplanung gut, weil sie in vielen Kommunen dazu führt, sich überhaupt mit dem Thema Wärmeversorgung zu beschäftigten. Entscheidend ist aber, die Planung nicht nur aufzustellen, sondern auch umzusetzen. Dafür brauchen die Kommunen das Know-how oder Partner, um die Pläne realisieren zu können.
Auch die Abwärme spielt eine Rolle, wenn es um Energieeffizienz geht, gerade bei größeren Industrieanlagen. Gibt es ein spezielles Abwärme-Contracting für Unternehmen, um diese in Wärmenetze einzubinden?
Ja, es gibt solche Angebote von Energiedienstleistern, die in einzelnen Projekten die Abwärme aus Industrie- oder anderen Prozessen in Nahwärmenetze einspeisen und damit Wohnungen beheizen. Bei anderen Angeboten wird der Prozess quasi mit Hilfe moderner Wärmespeicher entkoppelt. Ich gewinne also die Abwärme an einem Ort und gebe sie in einem nahegelegenen Netz ohne direkte Anbindung über Speicher weiter. Diese Lösungen gibt es heute schon und sie eignen sich besonders gut für Contractoren, um die Schnittstelle zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher abzubilden.
Dieses Interview ist ein Auszug aus einer Folge des The smarter E Podcasts. Das vollständige Interview können Sie hier anhören.
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