Auch im Nachbarland Östereich stehen Energieversorger vor großen Herausforderungen bei der Energiewende. Die illwerke vkw AG aus Bregenz haben sich unter anderem früh mit der Transformation hin zur E-Mobilität und der dezentralen Energieversorgung beschäftigt. Vorarlberg soll so zum Bundesland mit der größten E-Busflotte des Landes werden, sagt Sprecher Andreas Neuhauser. Und in Netzausbau und Digitalisierung sollen bis 2030 rund 100 Mio. € zusätzlich fließen.
Herr Neuhauser, mit welchen Herausforderungen haben Energieversorger in Österreich zu kämpfen? Ist die Energiewende dank Wasserkraft einfacher als beispielsweise in Deutschland?
Österreich hat durch den hohen Anteil an Wasserkraft natürlich einen gewissen Vorteil, wenn es darum geht, die Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Quellen zu schaffen. Trotzdem bleibt die Energiewende auch für Energieversorger in Österreich eine sehr große Herausforderung. Die regionalen Voraussetzungen für Wasserkraft, Photovoltaik und Windkraft sind sehr unterschiedlich. Der Fachkräftemangel und Probleme bei den weltweiten Lieferketten erschweren darüber hinaus den raschen Ausbau gerade bei der Photovoltaik. Positiv ist hingegen das große Interesse der Bevölkerung und der Wirtschaft an einem Umstieg auf erneuerbare Energieträger.
Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?
Die illwerke vkw bemühen sich intensiv, die Energiewende voranzutreiben. Unsere Pumpspeicherkraftwerke bieten die dringend benötigte Flexibilität, um erneuerbare Energieträger wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen ins europäische Verbundnetz zu integrieren. Erzeugung und Verbrauch müssen im Netz in jedem Augenblick im Gleichgewicht sein, um die Frequenz von 50 Hertz und damit die Netzstabilität zu sichern. Wir gleichen Frequenzschwankungen aus, indem wir flexibel und sehr rasch Energie ins Netz speisen oder Energie aus dem Netz holen, je nachdem was gerade benötigt wird.
Mit welchen Projekten beschäftigen Sie sich noch?
Unser Projekt Lünerseewerk II soll zukünftig ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten: Eingebettet in eine bereits bestehende Infrastruktur soll das größte Pumpspeicherkraftwerk in Österreich entstehen. Es wird über rund 1.000 Megawatt Leistung und ein Projektvolumen von rund zwei Milliarden Euro verfügen. Die Bandbreite an Projekten ist so groß wie die Herausforderungen selbst. Wir engagieren uns als Dienstleister bei den Themen Photovoltaik, Nahwärme aus Biomasse und Wärme.
Sie sind bereits seit über zehn Jahren aktiv im Bereich Elektromobilität und betreiben ein dichtes E-Ladenetz. Warum haben Sie schon so früh begonnen?
Die illwerke vkw hat mit der Vlotte bereits 2008 die erste Pilotregion für Elektromobilität in Österreich aufgebaut. Diesen Vorsprung an Erfahrung und Know-how konnten wir in den letzten Jahren sogar noch ausbauen. Ziel war es, herauszufinden, ob Elektromobilität auch im ländlichen Raum mit den gegebenen klimatischen Voraussetzungen funktioniert. Wichtig war dabei vor allem der Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie die Bewusstseinsbildung für das neue Thema. Gerade die Möglichkeit, sich Elektromobile auszuleihen, hat viele Berührungsängste abgebaut und dadurch Fragen beantwortet.
Wie hat sich das Geschäft seither entwickelt?
Heute kann man die Vlotte nur als eine Erfolgsgeschichte sehen. Vorarlberg hat seit Jahren den höchsten Anteil bei den Neuzulassungen von Elektromobilen im österreichischen Vergleich. Unsere Dienstleistungen in Bezug auf Ladeinfrastruktur und Backend-Systeme für Abrechnung und Betrieb sind überregional im Einsatz. Wir bieten von der Wallbox B2C bis zu Rundum-Sorglos-Paketen im B2B Segment individuelle Ladelösungen. Diese Marktposition wollen wir naturgemäß weiter ausbauen.
Sie bauen auch das öffentliche Ladenetz in Vorarlberg weiter aus.
Ja, das stimmt. Bis 2025 will der Verkehrsverbund Vorarlberg mindestens 108 E-Busse anschaffen. Damit soll der Umstieg auf einen emissionsfreien öffentlichen Verkehr gelingen. Vorarlberg soll so zum Bundesland mit der größten E-Busflotte des Landes werden. Unterstützt wird diese Umstellung durch das Förderprogramm „Emissionsfreie Busse und Infrastruktur“, kurz EBIN, des Klimaschutzministeriums.
Die Integration der E-Busse ins bestehende Energiesystem ist nicht ohne, warum?
Das verdeutlicht ein kurzes Beispiel: Mit Ladeleistungen von über 100 Kilowatt je Bus ist die zusätzliche Last im Stromnetz beträchtlich. Man darf nicht vergessen: Eine intelligente netzdienliche Planung der Ladevorgänge für die neuen E-Busse vereinfacht die Einbindung der zusätzlich benötigten Ladeinfrastruktur und bietet somit dem Land Vorarlberg auch wirtschaftliche Vorteile. Ein von der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) angeführtes Forschungskonsortium unterstützt diesen Prozess im Rahmen des geförderten Begleitprojekt EBusCharge. Gemeinsam wollen die Expertinnen und Experten Lösungen für intelligente Ladestrategien entwickeln und im Feld erproben.
Zu Ihren Geschäftsfeldern gehören auch Energienetze. Beim Netzumbau zu einem Smart Grid waren Sie ebenfalls früh dran. Hat sich das rentiert?
Unsere Tochtergesellschaft Vorarlbergnetz hat sich schon früh mit dem Thema Smart Grids auseinandergesetzt und mit dem Projekt Demo-Netz Pionierarbeit geleistet. Letzteres startete bereits 2006. Das Ergebnis auf Basis von Netzsimulationen mit den Daten von drei realen Mittelspannungsnetzen ergab: eine innovative Spannungsregelung zur Integration dezentraler Ökostromanlagen sind technisch realisierbar und im Vergleich zur konventionellen Leitungsverstärkung auch wirtschaftlich konkurrenzfähig.
Ihr Projekt Netzentwicklung – Mission 2030 soll die Stromnetze für die Energiewende fit machen. Was müssen Sie bis 2030 in die Netze investieren?
Aktuell setzen wir auf Basis wissenschaftlich begleiteter Projekte unsere Netzstrategie um, die das Verteilnetz zukunftssicher machen soll. Um die Verteilnetze für mehr Elektrifizierung wie Wärmepumpen und E-Autos bei gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren Energien effizient zu ertüchtigen, bieten digitale Lösungen einen klaren Mehrwert. Als Handlungsempfehlung sollten bis 2030 rund ein Fünftel aller Trafostationen im Netzgebiet auf intelligente Ortsnetzstationen umgerüstet werden. Aufgrund der Ergebnisse des Projekts investiert der Netzdienstleister bis 2030 zusätzlich zu den jährlichen Investitionen für Erneuerung und Instandhaltung – das sind rund 100 Millionen Euro für Netzausbau und Digitalisierung.