The smarter E Europe präsentierte Lösungen für die Integration von Prosumern
Netzstabilität und die Integration von Prosumern in ein ganzheitliches, CO2-neutrales Energiesystem ¬ das waren nicht nur die Topthemen der EM-Power Europe 2023, auch auf den anderen drei Fachmessen im Rahmen der The smarter E Europe waren sie stark präsent. Deutlich wurde das etwa bei der AWARD-Verleihung. Wir stellen Ihnen einige der Preisträger vor und werfen außerdem einen Blick auf Start-ups und ihre Energiemanagementsysteme, die für Prosumer immer wichtiger werden.
Mal laute Paukenschläge, mal ein leichtes Klopfen, Rascheln oder gar Röhren: Die Geräusche, die Leonie Klein bei der AWARD-Verleihung der The smarter E Europe und ihrer vier Fachmessen den Percussion-Instrumenten auf der Bühne entlockte, waren so vielfältig und spannend wie die Produkte und Projekte, die an diesem Abend im Konferenzzentrum München ausgezeichnet wurden. Und doch fiel bei den Preisträgern eine Gemeinsamkeit auf: Direkt oder indirekt ging es oft um die Stabilität unserer Stromnetze.
Der Vorabend der The smarter E Europe zeigte damit eindrücklich, wohin die Reise geht: Der Ausbau der Erneuerbaren läuft weltweit auf Hochtouren und auch die Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors gewinnt an Tempo. Nun gilt es, die volatile Stromerzeugung aus Wind und Sonne mit der wachsenden Stromnachfrage in Einklang zu bringen – mit Flexibilität und intelligenten, sektorübergreifenden Lösungen.
Köpfchen statt Kupfer beim EM-Power AWARD
Ein wichtiger Aspekt dabei: Die Integration der E-Mobilität in die Verteilnetze, ohne diese zu überlasten. Denn allein in Deutschland soll die Zahl der E-Autos von einer knappen Million in 2022 auf 15 Millionen im Jahr 2030 steigen. Das kann nur mit einem intelligenten Lademanagement gelingen. Ein solches hat das Münchner Unternehmen The Mobility House entwickelt und konnte sich damit einen EM-Power AWARD sichern, der am 13. Juni zum ersten Mal verliehen wurden.
Der ChargePilot hilft zum Beispiel in Ladeparks oder bei E-Flotten im Gewerbe, Lastspitzen zu reduzieren. Damit bietet das Lade- und Energiemanagementsystem eine kostengünstige Alternative zum Ausbau der Netzinfrastruktur. Durch die Kombination von Hard- und Software können E-Fahrzeuge vorrangig mit Strom aus erneuerbaren Energien aufgeladen werden; zusätzlich trägt die Vehicle-to-Grid-Funktion zur Stabilisierung des lokalen Stromnetzes bei.
Auch Batteriespeicher spielen im Energiesystem eine immer größere Rolle, um Lastspitzen zu kappen, die Systemstabilität zu verbessern und die Kosten für den Netzausbau zu senken. Viele sinnvolle Anwendungen für Großspeichersysteme scheitern jedoch an der fehlenden langfristigen Planbarkeit von passender Leistung und Kapazität für sich weiter entwickelnde Anwendungen oder an den Investitions- und Entscheidungsstrukturen von Industrie und Netzbetreibern. Mit FERESTO – Rental Storage erleichtert FENECON den Einsatz von Batteriespeichern, denn diese können für den gewünschten Zeitraum in der passenden Leistungs- und Kapazitätskonfiguration einfach gemietet werden. Für dieses innovative Angebot wurde FENECON ebenfalls mit einem EM-Power AWARD ausgezeichnet.
The smarter E AWARD belohnt herausragende Projekte
Wie Batterien in der Praxis das Netz stabilisieren, darum ging es bei den Gewinnern des The smarter E AWARD 2023 für „Outstanding Projects“. Einer von ihnen ist die Maschinenfabrik Reinhausen mit ihrem Projekt „FlexNet-EkO – Flexibilisierung des Netzbetriebs durch entkoppelte Ortsnetze“ in Bobritzsch-Hilbbersdorf, südwestlich von Dresden. In Zusammenarbeit mit MITNETZ STROM und regionalen Forschungsexperten hat die Maschinenfabrik Reinhausen gezeigt, wie Netzbetreiber größere Anteile erneuerbarer Energien einbinden, Spannung und Frequenz stabilisieren sowie die Netzfunktion ganzheitlich verbessern können.
Das System kombiniert Batterien mit leistungselektronischer Netzkopplung und netzbildenden Wechselrichtern, um Niederspannungsnetze zu entkoppeln und zu optimieren. Dieser Ansatz ist im Vergleich zum Ausbau von Netzen und Übertragungssystemen kostengünstiger und einfacher realisierbar. Solar- und Windenergie sowie Elektrofahrzeuge können auf diese Weise schneller ins Stromnetz integriert werden.
Über einen weiteren The smarter E AWARD konnte sich das spanische Unternehmen Wallbox freuen. Sein Projekt am Firmensitz in Barcelona zeigt, wie Lade- bzw. Energiemanagementsysteme dazu beitragen, Netzausbaukosten zu sparen und Projekte schneller umzusetzen. Durch den Ausbau des Standorts wuchs die benötigte Netzstromkapazität auf 400 kW, vorhanden waren aber nur 173 kW. Anstatt die Netzinfrastruktur entsprechend aufzurüsten, was ein ganzes Jahr gedauert hätte, installierte das Unternehmen das Energiemanagementsystem SIRIUS.
Das System integriert Netzstrom nahtlos mit einer 400 kW Photovoltaik-Anlage, einem stationären Batteriespeicher mit einer Kapazität von 560 kWh sowie einer Flotte aus 23 rückspeisefähigen Nissan Leaf Elektroautos. Die unterschiedlichen Energiequellen werden in Echtzeit aufeinander abgestimmt, um den Gebäudeenergieverbrauch zu optimieren. Im Jahr 2022 konnte Wallbox seine CO2-Emissionen damit um 73 t senken und spart jährlich 85.000 € an Energiekosten.
Für jeden das passende Energiemanagementsystem
Ein intelligentes Lademanagement mit Vehicle-to-Grid-Funktionen konnte auch beim Power2Drive AWARD das Rennen machen. Für sein System FLEXO Smart Charge bekam das Schweizer Unternehmen Hive Power eine der drei Trophäen, die die Power2Drive an diesem Abend verlieh. Die Software-as-a-Service-Plattform bündelt mithilfe von cloudbasiertem Lernen Elektrofahrzeugflotten und bindet sie in Energiemärkte ein – für eine maximale Rentabilität des Vehicle-to-Grid-Geschäftsmodells und minimale Betriebskosten.
Die hardwareunabhängige Plattform ist auch für dynamische, lastvariable Stromtarife ausgelegt und trägt so dazu bei, die Stromnachfrage an die Stromerzeugung anzupassen. Auf diese Weise lassen sich laut Hive Power bis zu 1.000 € zusätzliche Einnahmen pro E-Fahrzeug und Jahr erzielen.
Die Kernanwendung von Hive Power, FLEXO, kommt auch in anderen Bereichen zum Einsatz, etwa um Energiegemeinschaften zu verwalten und zu optimieren. Das System managed die Flexibilität dezentraler Anlagen, wie Photovoltaik, E-Autos, Wärmepumpen oder Batteriespeicher. Dafür sammelt es Daten verschiedener Quellen, unter anderem auch Wetterprognosen, Lastprofile und Energiemarktdaten, und wertet diese aus, mit dem Ziel, Verbrauchsspitzen zu reduzieren, möglichst viel selbst erzeugten Strom zu nutzen oder wichtige Dienste für das Netz bereitzustellen.
Alle können mitmachen
Mit seiner Technologie bedient Hive Power einen Trend, der bei vielen Ausstellern auf der EM-Power Europe vom 14.¬16. Juni 2023 in München zu beobachten war: Die intelligente Einbindung von Prosumern in das Energiesystem. Denn um Stromangebot und -nachfrage in Zukunft jederzeit ausgleichen zu können, ist eine aktive Teilhabe der Prosumer am Smart Grid essentiell. Dazu gehört nicht nur, den Verbrauch bei Bedarf zeitlich zu verschieben, sondern auch, dezentral erzeugten Strom möglichst vor Ort zu nutzen.
Entsprechende Lösungen zeigten auf der EM-Power Europe viele Unternehmen, etablierte ebenso wie kleine Start-ups.
Eines von ihnen ist Ampigrid aus Kassel, das sich mit seinem intelligenten Energiemanagementsystem zunächst auf den Hausbereich fokussiert, um dort den Eigenverbrauch von Solarstrom zu erhöhen. Im Mittelpunkt stehe die Kommunikation zwischen Geräten verschiedener Hersteller über die AmpiBox, etwa Wechselrichter von PV-Anlagen, Wärmepumpen, Wallboxen und intelligente Steckdosen, erklärte Projekt Manager Vadim Gorbatchev.
In weiteren Entwicklungsschritten wolle man kleine Netzwerke, etwa Energiegemeinschaften, erschließen und schließlich Netzbetreiber bei der Vermeidung von Engpässen unterstützen, beispielsweise über die Steuerung von Wärmepumpen auf Basis dynamischer Energiepreise.
„Aktuell suchen wir nach Business Cases, um unsere Standardisierung für verschiedene Geräte zu erweitern“, sagte Gorbatchev. Sein Unternehmen traf auf der EM-Power Europe nicht nur potenzielle Partner und Kunden, „wir konnten uns auch mit Konkurrenten austauschen, was für uns als Start-up einfach wichtig ist.“
Ein solcher Mitbewerber ist das vor zwei Jahren gegründete Start-up Embion aus den Niederlanden. Dessen Energiemanagementsystem Solar Gateway verbindet ebenfalls herstellerunabhängig PV-Anlagen, Ladestationen, Wärmepumpen, Batteriespeicher und mehr. „Es lässt sich von jedem fachkundigen Installateur ohne Unterstützung unserer Ingenieure einbauen“, erläuterte Jochem van der Raak, der das Start-up auf der EM-Power Europe vertrat.
Das System eignet sich für alle Arten und Größen von Anwendungen, vom Wohnhaus mit Solaranlage und Wärmepumpe bis zum Industrieunternehmen. Es kann Wetterprognosen ebenso wie Day-Ahead-Preise an der EPEX-Strombörse berücksichtigen, über eine API-Schnittstelle (Application Programming Interface) ist eine direkte Verbindung mit einem Stromhändler möglich.
Das Energiemanagementsystem sorgt dafür, dass vor Ort erzeugter Strom möglich effizient genutzt bzw. gespeichert wird. Ist dennoch ein Überschuss vorhanden, der nicht ins Netz eingespeist werden darf, regelt Solar Gateway die Erzeugung dynamisch herunter. Auch Embion sucht Geschäftspartner, um weiter expandieren zu können.
Es geht auch wolkenlos…
Während die meisten Energiemanagementsysteme heute einen Software-as-a-Service-Ansatz haben und die Messdaten der Kunden in eine Cloud übertragen, geht das Start-up AGF Energiesysteme aus Regensburg einen anderen Weg. „Alle Daten sind im Gerät gespeichert“, betonte Geschäftsführer Arno Friedrich. Auch die Auswertesoftware ist im enertune manager integriert.
Bedient wird das ganze über einen Internet-Browser auf dem PC, Laptop oder Smarthone. Das System kann herstellerunabhängig verschiedenste Zähler integrieren und Anlagen verbinden, wie PV-Anlagen, BHWK, Wärmepumpen, Ladesäulen, Gas- oder Wasserzähler.
Dezentrale Kleinstanlagen, etwa auf kommunaler Ebene, lassen sich wirtschaftlich und schnell zu einem virtuellen Kraftwerk mit dezentraler Betriebsführung vernetzen. Der enertune manager kann flexible Strompreise berücksichtigen und dadurch zu erheblichen Kosteneinsparungen beitragen. Das System ist für Eigenheimbesitzer ebenso interessant wie für die Immobilienwirtschaft, Gewerbebetriebe, Kommunen oder Energieversorger.
…oder mit Wasserstoff
Auf eine ganzjährig stabile und emissionsfreie Energieversorgung mithilfe von Wasserstoff hat sich das Start-up hymate spezialisiert. „In Zukunft werden wir deutschlandweit in vielen Stunden einen enormen Überschuss an grünem Strom haben“, erklärte Gründer und CEO Samuel Muhr. Dieser kann genutzt werden, um Wasserstoff zu erzeugen – als Energiespeicher für wind- und sonnenärmere Zeiten oder für die Industrie und den Verkehrssektor.
Das sei interessant für Unternehmen, Mehrfamilienhäuser und andere Prosumer, die in Zukunft für die Einspeisung überschüssigen Stroms ins Netz oftmals kein Geld mehr bekommen würden oder sogar dafür zahlen müssten, meinte Muhr.
Entsprechende Elektrolyseure und Speicher gebe es schon, doch der Planungsprozess über Ingenieurbüros und die Realisierung der Anlagen sei bislang zu aufwändig und teuer. hymate hat deshalb nicht nur eine intelligente Simulations- und Konfigurationssoftware entwickelt, die diese Planung erheblich erleichtert und beschleunigt, sondern auch ein auf Energieertrags- und Verbrauchsprognosen basierendes Energiemanagementsystem.
Dadurch ließen sich die Investitionskosten für gleichwertige Systeme signifikant reduzieren, erläuterte Muhr. Aktuell bietet das Start-up die Planung entsprechender Anlagen an, die ersten sollen dann 2024 in Betrieb genommen werden.
Autor dieses Artikels ist Simone Pabst