Beim Ausbau und der Transformation der Stromnetze als Schlagadern für ein erneuerbares Energiesystem ist schon viel auf den Weg gebracht worden, aber es gibt noch große Herausforderungen. Das zeigte die Fachtagung „Zukünftige Stromnetze“ am 29./30. Januar in Berlin. Kosteneffizienz, mehr Flexibilität und Energiespeicher sowie die Digitalisierung der Verteilnetze rücken zunehmend in den Fokus.
Trotz der inzwischen dominierenden erneuerbaren Stromerzeugung sei das deutsche Stromnetz nach wie vor eines der zuverlässigsten der Welt, betonte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, der erstmals an der renommierten Fachkonferenz teilnahm. Auch der Ausbau der Übertragungsnetze komme dank der beschlossenen Beschleunigungsmaßnahmen deutlich voran. So hätten sich seit 2021 die fertiggestellten Leitungskilometer verdoppelt, die im Bau befindlichen vervierfacht und die genehmigten neuen Stromleitungen verdreizehnfacht. Mehr als eine Milliarde Euro konnten im vergangenen Jahr beim sogenannten Engpassmanagement im Stromnetz (Redispatch) eingespart werden, berichtete Volker Oschmann, Ministerialdirektor Energie im Bundeswirtschaftsministerium. Ein wichtiger Grund dafür sei neben dem Netzausbau auch die Optimierung der bestehenden Netze.
Künftig müsse es aber darum gehen, neben der Versorgungssicherheit und der Klimaneutralität noch stärker als bisher die Kosteneffizienz in den Fokus zu rücken, sowohl beim Ausbau der Netze als auch beim Ausbau und der Systemintegration der erneuerbaren Energien, betonten Müller und Oschmann. Entscheidende Hebel hierfür seien die Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch, Energiespeicher sowie Innovationen im Bereich der Verteilnetze. Deren Ertüchtigung und Ausbau soll unter anderem durch eine vorausschauende Planung, eine stärkere Honorierung innovativer Betriebsführungsmethoden sowie eine stärkere Digitalisierung vorangetrieben werden. Nach jedem Quartal will die Bundesnetzagentur künftig ein Monitoring über den Fortschritt der Digitalisierung im Verteilnetz veröffentlichen - und damit die Transparenz und den Wettbewerb zwischen den Betreibern erhöhen.
Als wichtigen Schritt für eine flexible Steuerung der Verbraucher durch die Verteilnetzbetreiber sieht Müller den §14a im Energiewirtschaftsgesetz. Dieser ermöglicht die flexible Steuerung von Geräten wie Ladestationen für Elektroautos, Wärmepumpen oder Stromspeichern. Dafür sind allerdings Smart Meter notwendig, deren Rollout noch in den Kinderschuhen steckt. Ein aktuelles Gesetzespaket soll hier nachbessern und Anreize schaffen. Großes Potenzial zur Netzentlastung und Flexibilisierung sieht Müller auch in der Einbindung der Batteriespeicher von zukünftig vielen Millionen E-Autos über bidirektionales Laden.
Deutlich wurde auf der Tagung auch, dass vor allem große Batteriespeicher derzeit stark im Kommen sind. Deren Ausbau müsse aber netzdienlich erfolgen, betonte Müller. Netzkosten dürften nicht sozialisiert werden, wenn Anlagen, egal wo, gebaut würden.
Was bei der Digitalisierung der Verteilnetze bereits passiert und was möglich ist, berichteten Verteilnetzbetreiber und Dienstleister. Um störungsbedingte Ausfallzeiten zu minimieren, arbeitet beispielsweise Netze BW an vollautomatisierten „selbstheilenden“ Netzen. Sogenannte digitale Zwillinge bilden die Grundlage für die automatisierte Verknüpfung von Netzplanungs- und Betriebsprozessen, und Echtzeitmonitoring hilft, den Netzbetrieb effizienter zu gestalten.
An der Fachkonferenz, die bereits zum 13. Mal unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministeriums stattfand, nahmen rund 200 Vertreter aus Energiewirtschaft, Industrie, Forschung und Politik teil.