Können unsere Energiesysteme mit künstlicher Intelligenz (KI) intelligenter, sicherer und nachhaltiger werden? Im Interview erklärt Nelson Pinho, Global Head of Digital and AI bei EDP, wie künstliche Intelligenz bereits heute Prognosen, Entscheidungsprozesse und den Netzbetrieb verändert – und warum das größte Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Der Energiesektor erlebt einen tiefgreifenden Wandel, bei dem jede Entscheidung direkte Auswirkungen auf die Systemeffizienz, die Dekarbonisierung und die Resilienz hat. Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden dabei nicht nur als unterstützende Werkzeuge, sondern als grundlegende Wegbereiter des Wandels gesehen. KI wandelt Daten in umsetzbare Erkenntnisse um. So können Energieversorger Anlagenleistungen optimieren, Verbrauchsmuster vorhersagen und fluktuierende erneuerbare Energien in großem Maßstab integrieren.
Bei EDP setzen wir KI aktiv in Schlüsselbereichen wie intelligenten Netzen, dezentralen Energieressourcen, Energiespeicherung und nachhaltiger Mobilität ein. Ergänzend nutzen wir Technologien wie IoT, maschinelles Lernen und Big-Data-Analysen, mit denen wir ein Energiesystem schaffen können, das nicht nur intelligenter, sondern auch nachhaltiger, resilienter und kundenorientierter ist.
Die Netzmodernisierung ist wohl eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Da die Energiesysteme zunehmend dezentral und multidirektional sind, muss auch die bestehende Infrastruktur weiterentwickelt werden, um dieser neuen Komplexität gerecht zu werden. KI spielt bei dieser Transformation eine Schlüsselrolle: Mithilfe prädiktiver Analysen kann sie den Wartungsbedarf vorhersagen, den Netzfluss optimieren und Anomalien in Echtzeit erkennen.
Bei EDP haben wir mehr als 300 daten- und KI-gesteuerte Lösungen in unseren Geschäftsbereichen implementiert und über 50 weitere Anwendungsfälle sind in der Entwicklung. Dazu gehören Bedarfsprognosen, intelligentes Anlagenmanagement, Netzengpassmanagement, Fernsteuerung und die Automatisierung kritischer Prozesse. Mit der Integration von KI in unsere Prozesse verbessern wir nicht nur unsere Infrastruktur – wir machen sie auch zukunftssicher.
Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien sind Prognosen nicht nur wichtiger, sondern auch komplexer geworden. Solar- und Windenergie sind für die Dekarbonisierung unverzichtbar, aber aufgrund ihrer Volatilität auch eine Herausforderung für die Netzstabilität. Mit KI können wir diese Komplexität gezielt bewältigen.
Mithilfe von Machine-Learning-Modellen können umfangreiche Datensätze – darunter historische Produktionsdaten, Wettervorhersagen und Echtzeit-Sensordaten – analysiert werden, um sowohl kurz- als auch langfristige Prognosen zu verbessern. So konnten wir beispielsweise Prognosefehler für die Solarstromerzeugung um bis zu 30 Prozent reduzieren. Mit KI können auch Lastprognosen auf der Ebene einzelner Umspannstationen erstellt und so Programme für Demand-Side Flexibility und Dynamic Line Rating unterstützt werden, um damit die Einschränkungen bei der Nutzung erneuerbarer Energien zu reduzieren.
Im Bereich der Wasserkraft nutzen wir KI zur Modellierung von Flussläufen und Klimamustern, um so die Stromerzeugung zu optimieren und gleichzeitig die Sicherheit von Dämmen und die Planung von Wasserressourcen zu verbessern. Innovationen wie diese sind unerlässlich, um die Netzflexibilität und -zuverlässigkeit in einer von erneuerbaren Energien geprägten Zukunft zu verbessern.
EDP hat eine langfristige Roadmap entwickelt, die auf sieben strategischen KI-Schwerpunktbereichen – unseren „BigBets“ – basiert, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu lösen. Das sind unter anderem:
Diese BigBets sind keine isolierten Initiativen – sie bilden eine einheitliche Strategie, um KI zu einer tragenden Säule unserer Innovation und Wertschöpfung zu machen.
Der KI-Wandel betrifft Menschen und Technologien gleichermaßen: Rollen werden neu definiert, Entscheidungsprozesse verändern sich, und Kreativität, Anpassungsfähigkeit und kritisches Denken sind wichtiger denn je. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, müssen Unternehmen mit Umschulungen oder Weiterbildungen in ihre Mitarbeiter investieren.
Wir bei EDP sind der Meinung, dass KI die menschlichen Fähigkeiten verstärken sollte. Aus diesem Grund bieten wir für unterschiedliche Profile zugeschnittene Lernprogramme an, pflegen Partnerschaften mit akademischen Einrichtungen und fördern eine Kultur des kontinuierlichen Lernens. Eine Studie der BCG zeigt, dass Unternehmen, die KI erfolgreich einsetzen, in der Regel 30 Prozent in Technologie und 70 Prozent in Mitarbeiter und Prozesse investieren. Wir nehmen diese Erkenntnis sehr ernst, haben aber noch viel Arbeit vor uns.
Wir träumen von einer Zukunft, in der Menschen und künstliche Intelligenz Seite an Seite arbeiten – in der Technologien unsere Intuition stärken und wir uns auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können. Das ist die Arbeitswelt von morgen – und wir gestalten sie schon heute.
Mit der zunehmenden digitalen Transformation steigt auch das Risiko von Cyberangriffen. In diesem Bereich erweist sich KI als wertvolle Unterstützung: Mit ihrer Hilfe lassen sich Bedrohungen besser erkennen, Vorfälle schneller abwehren, und sie kann kontinuierlich an neue Angriffsvektoren angepasst werden.
Unternehmen können beispielsweise Security-Copilots einsetzen, um die Bedrohungserkennung und das Schwachstellenmanagement zu automatisieren. Mithilfe von KI lassen sich große Datenströme in Echtzeit analysieren, Anomalien erkennen, potenzielle Sicherheitslücken aufzeigen und Abhilfemaßnahmen empfehlen – und das oft schneller, als es ein Analyst könnte.
KI spielt auch bei der Resilienz eine wichtige Rolle: Sie erkennt nicht nur Bedrohungen, sondern hilft Unternehmen auch, diese zu antizipieren und abzuwehren. Das ist für den Energiesektor, in dem Ausfallsicherheit und Zuverlässigkeit außer Frage stehen, von entscheidender Bedeutung.
KI ist nicht mehr nur Zukunftsmusik – sie ist längst Realität und prägt unsere Gegenwart. Und doch haben wir ihr volles Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. In den kommenden Jahren wird KI den Aufbau autonomer, selbstheilender Netze, hyperpersonalisierter Energiedienstleistungen und integrierter Energiegemeinschaften vorantreiben. Und nicht nur das: Verbraucher werden mithilfe von KI aktiv am Energiesystem teilnehmen und Betreiber immer komplexere Netze in Echtzeit steuern können.
In Zukunft geht es aber nicht nur um Algorithmen, sondern auch um Menschen. Die wahre Stärke der KI liegt darin, sie mit menschlicher Intelligenz zu kombinieren – mit Kreativität, Empathie und ethischem Urteilsvermögen. Wir müssen sicherstellen, dass KI verantwortungsvoll entwickelt und eingesetzt wird, angeleitet von klaren Werten und einer transparenten Unternehmensführung.
Und genau dafür setzen wir uns bei EDP ein: für eine Zukunft, in der Technologie Talente fördert, in der die Energiesysteme sauber und widerstandsfähig sind und in der Fortschritt für alle nachhaltig ist. Das Potenzial ist enorm – und wir müssen bereit sein, es voll auszuschöpfen.
Möchten Sie mehr darüber wissen, wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz unsere Energiesysteme verändern werden? Dann besuchen Sie die vier Konferenzen im Rahmen der The smarter E Europe am 6. und 7. Mai 2025 in München!
Einen besonderen Fokus auf das Thema wirft zum Beispiel die Session „Photovoltaik-Großanlagen II: Digitalisierung und KI transformieren die Branche“ der Intersolar Europe Conference, in der Ana Felício, Planning & Execution Office bei EDP spricht.
Die Session „Innovation und Digitalisierung“ der EM-Power Europe Conference widmet sich der Umsetzung innovativer Technologien im Energiesektor.
Übrigens können Sie mit nur einem Ticket alle vier Fachkonferenzen besuchen: die Intersolar Europe Conference, die ees Europe Conference, die Power2Drive Europe Conference und die EM-Power Europe Conference.